Neu in Melbourne: Pastor Peter Demuth von Kronstadt nach Springvale

Article by Claudia Raab on www.deutscheinmelbourne.net

Viel Vorfreude, leichtes Gepäck und ein wenig schweres Herz

Es war eine Reise von der alten in die neue Heimat mit viel Vorfreude, sehr leichtem Gepäck, aber auch ein wenig schweres Herz, die die neue Pfarrfamilie der deutschen Johannesgemeinde in Melbourne im Dezember vergangenen Jahres antrat. “Wir haben nur vier Koffer mitgebracht”, erinnert sich Anna Leticia und lacht. Während andere ihren gesamten Hausstand in große Boxen verpacken und nach Australien verschiffen, entschlossen sich die Demuths, ihn zu verschenken
“Wir haben alles ausgestellt, Freunde eingeladen und gefragt, ob sie etwas von uns behalten möchten. Das war eine schöne Sache,” erzählt Anna und Pastor Peter Demuth stimmt zu. Mit im Gepäck waren allerdings die heiß geliebtesten und die meist benutzten theologischen Bücher. Jedoch: “Viele habe ich meiner Gemeinde gespendet. Ich darf sie aber lesen und eins mitnehmen, wenn ich zu Besuch komme”, lacht der 32-jährige verschmitzt.

Deutsche Johannesgemeinde in Melbourne seit 1960

Das verschmitzte Lächeln, das Demuth auf Anhieb zugänglich-offen und vertraut-freundlich wirken läßt, wird sich während unseres Gesprächs in der Kirchhalle der deutschen evangelisch-lutherischen Johannesgemeinde noch oft auf seinem Gesicht zeigen. Deutsche Einwanderer gründeten sie 1960. Sie hatten sich in und um Melbournes Stadtteil Springvale niedergelassen. Viele von ihnen hatten Arbeit in zwei großen deutschen Fabriken in der Nähe gefunden.
Die Johannesgemeinde ist also, ebenso wie ihre Schwestergemeinde – die deutsche Dreifaltigkeitskirche in East Melbourne – eine deutsche Minderheitsgemeinde in Australien. Eine Situation, mit der der deutschstämmige Rumäne nur allzu vertraut ist. Geboren ist er in Schäßburg (Sighişoara) in Siebenbürgen-Sachsen, dem Gebiet im heutigen Rumänien, in dem die deutsche Minderheit lebt. Dies ist eine Region, in der Deutsch und Deutsches alltäglich sind, in der Kinder in deutschsprachige Kindergärten, auf deutschsprachige Schulen gehen. Es gibt sogar deutschsprachige Universitäten dort.

Seit 13. Jahrhundert Deutsche in Siebenbürgen-Sachsen


“Im 13. Jahrhundert wurden Deutsche von dem damaligen ungarischen König nach Siebenbürgen gerufen, um die östliche Grenze des Königreichs zu schützen und aufzubauen. Seitdem wird die deutsche Sprache und Kultur dort gepflegt und ist auch heute noch lebendig,” erklärt Demuth. Große Einschnitte erfuhr die deutsche Gemeinde allerdings nach dem Mauerfall zwischen West- und Ostdeutschland, mit dem nach Demuths Schätzungen rund 30 bis 40.000 Siebenbürgen- Sachsen nach Deutschland migrierten.

Dennoch bleibt die Region geprägt von deutscher Kultur und Sprache, sagt Demuth. Sein Vater, dessen Familiennamen er trägt, stammt allerdings von einer anderen, ethnischen Minderheit in Rumänien: den Ungarn. Somit ist der Theologe mit drei Sprachen aufgewachsen: mit Deutsch, Ungarisch, Rumänisch.


Kirche hatte und hat großen Einfluss auf öffentliches Leben


Und mit der Kirche: Denn obwohl der kommunistische Staat beispielweise in der ehemaligen DDR das Leben der Kirchen schwer machte, habe der rumänische Staat, so Demuth, nicht unbedingt aktiv gegen die Kirche gearbeitet. Also hatte die Kirche Einfluß? “Ja, ja, ja,” bestätigt der Pastor. “Nicht nur auf das kirchliche Leben, sondern auch auf das öffentliche. Die Gemeinden waren gut strukturiert und organisiert. Sie waren in sogenannte Nachbarschaften eingeteilt, die füreinander sorgten.” Beispielsweise wurde nach einer Hochzeit, gemeinsam für das frisch verheiratete Paar ein Haus gebaut.


Nahm dieser Einfluß in moderneren Zeiten auch ab, gehört die Kirche noch immer zum Leben dazu. Auch für Jugendliche. Wie viele andere von ihnen, sei er in der Jugendzeit zum Gottesdienst gegangen, sei in der Kirche aber nicht sehr aktiv gewesen, gibt der Pastor zu. Dennoch habe er nach der Schule “ein Gefühl” gehabt, Theologie zu studieren. Damals nicht unbedingt mit dem Ziel, als Pfarrer eine Gemeinde zu leiten. Eher, um Antworten zu finden auf seine Fragen. Nach Gott. Nach dem Glauben. Danach, wie man ihn erklärt und versteht.


Erleben des gemeinsamen Glaubens wichtig

Hat Demuth die Antworten im Studium gefunden? Er zögert. Wieder erscheint das verschmitzte Lächlen auf seinem Gesicht. “Ja,” sagt er schließlich bedächtig und schränkt ein, dass vielleicht nicht alles an der Wissenschaft festgemacht werden solle. Das Erleben des gemeinsamen Glaubens, das Teilen und Austauschen während seiner Arbeit in Gemeinden als Student, sei ein wichtiger Aspekt gewesen, um diese Fragen zu beantworten, meint er.


Der Wunsch, Pfarrer zu werden, formte sich mehr und mehr. Doch zuvor erhielt Peter Demuth 2006 ein Stipendium des Gustav-Adolf-Werks unter der Obhut der evangelischen Kirchen in Deutschland, um an der Universität Leipzig zu studieren. Eine einjährige Assistenz am dortigen Lehrstuhl für Ökumene und Diaspora schloß sich an.


Von prachtvoller, gothischer in bescheidene, moderne Kirche


2008 kehrte der Rumäne in seine Heimat zurück. Der Aufenthalt in Deutschland hat ihn nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern auch seine Frau finden lassen. Die deutschstämmige Brasilianerin Anna Leticia, die Religionspädagogik in Leipzig studierte, folgte Peter Demuth, nachdem sie ihre Abschlußarbeit in Brasilien eingereicht hatte, ins rumänische Heltau. Hier trat er seine Vikarstelle an, bevor er ein Jahr später in Kronstadt eine Pfarrstelle bekam und in der berühmten, prächtigen Schwarzen Kirche predigte.
Fünf Jahre hatte sich das rumänisch-brasilianische Paar gegeben, das neben Liebe und Glauben, auch durch deutsche Kultur, Sprache und Geschichte vereint ist. Dann wollten sie schauen, wie und vor allem, in welchem Land es für sie weiter gehen sollte. Fünf Jahre, in denen die mittlerweile vier Jahre alten Zwillinge Antonio-David und Paulo-Samuel geboren wurden, und sie zufällig die Stellenanzeige der deutschen evangelisch-lutherischen Johannesgemeinde in Australien sichteten.

Herausforderung: deutsche Kirche in englischsprachigem, multikulti Australien

“Die Gemeindearbeit, der Gemeindeaufbau,” kommt die Antwort fast wie aus der Pistole geschossen auf die Frage, warum sie sich beworben haben, ohne je zuvor in Australien gewesen zu sein. Gereizt habe sie die Fragen, “Wie sieht die Kirche im 21. Jahrhundert aus? Wie kann man in der Gemeinde zum christlichen Glauben einladen? Was hat sie zu bieten? Nicht nur ihren Gemeindegliedern, sondern auch der Gesellschaft?” Die Johannesgemeinde ist gerade dabei sich neu zu definieren – auch im Bezug auf ihre Existenz als deutsche Kirche in einer englischsprachigen, australischen multikulturellen Gesellschaft. Hier sieht er die Chance, seine Expertise und Erfahrung einzubringen.
Deutlich wird für beide, dass die Gemeinde beziehungsweise die Gemeinschaft wichtig ist. Mit der Gemeinde will Demuth eng zusammen arbeiten und zunächst relevante, realistische Zukunftsziele setzen. Diese Phase wird in den nächsten Monaten abgeschlossen sein. Dann geht es an die Umsetzung. Demuths persönliches Ziel ist erst einmal das folgende: “Die Gemeinde so gut zu betreuen, wie sie von meinem Vorgänger Wilhelm Stern betreut worden ist.”


Der Gemeinde im Ausland ein Stück Heimat schenken

Ansonsten gilt es sich zunächst einmal weiter in Melbourne einzuleben: Sich an die großen Distanzen zu gewöhnen und die englische Sprache, die er bisher gut meistert. Dennoch gibt Demuth zu, dass ihn Gottesdienste auf Englisch noch große Vorbereitungszeit kosten. Das wird sich bald ändern.
Bis dahin geniesst die Pfarrfamilie, die aus einer eher gebirgigen Umgebung stammt, die Nähe zum Meer, das Wandern und Australiens üppige Vogelwelt. Sie wird voraussichtlich erst einmal fünf Jahre bleiben, um nicht zuletzt anderen in der Ferne “ein Stück Heimat” zu schenken, wie das Paar es beschreibt.


Text und Fotos 1 und 2: Claudia Raab, claudia.raab@deutscheinmelbourne.net, weitere Fotos: Courtesy of Peter Demuth

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